Mindestlohngesetze gibt es in fast allen Ländern Europas. Neu ist, dass in immer mehr
Ländern eine Meldepflicht für ausländische Arbeitnehmer vor deren Einsatz eingeführt
wird.
Das betrifft nicht nur sogenannte Kabotagetransporte, also Fahrten eines ausländischen
Transportunternehmens im Inland, sondern auch internationale Transporte, die Start-
oder Zielort in dem betreffenden Land haben. Ziel ist, dass ausländische Fahrer
für die in dem jeweiligen Land gearbeitete Zeit den dort gültigen Mindestlohn
erhalten sollen.
Dabei wurden zunächst von Frankreich, dann Ende 2016 auch von Österreich und Italien
erhebliche bürokratische Hürden für Transportunternehmen geschaffen, die
internationale Verkehre von und nach diesen Ländern abwickeln. Viele dieser Hürden
sind im täglichen Betrieb gar nicht umsetzbar und stehen im Widerspruch zur
europaweiten Dienstleistungsfreiheit.
Wer Transporte nach und von Frankreich anbieten will, muss u.a.einen Vertreter in Frankreich
als Verantwortlichen für die Behörden benennen. Werden bei Kontrollen Verstöße festgestellt,
dann sind die Strafen dafür in Frankreich drastisch. Als Folge haben sich viele
Transportunternehmen aus diesem Markt zurückgezogen. Ein knapperes Angebot an Laderaum bei
steigenden Preisen ist die Folge.
Bei Transporten nach Österreich muss nun z.B. jede Fahrt vor Einreise unter Angabe
des Auftraggebers angemeldet werden.
Da jedes Land hier seine eigenen Regeln aufstellt, werden viele internationale
Transportunternehmen schnell an personelle Grenzen stoßen und auch für die
Fahrer wird es immer unverständlicher, wie sie sich in welchem Land zu verhalten haben.
Zu befürchten ist hier eine Verringerung des Laderaumangebots verbunden mit steigenden
Transportkosten.
Dass gegen diese Regelungen Beschwerden bei der EU-Kommission gestellt wurden,
wird in der Praxis zunächst nichts ändern.
Im Hinblick auf protektionistische Tendenzen in vielen Ländern Europas ist eher mit
einer Zunahme neuer länderspezifischer Regelungen zu rechnen.
Neue Regeln wird es in wenigen Jahren auch im Güterverkehr mit Großbritannien geben.
Sollte der Brexit Wirklichkeit werden, dann bedeutet dies, dass Ausfuhren in das
Drittland Großbritannien beim Zoll angemeldet werden und natürlich auch die
Importe beim Zoll versteuert werden müssen. Auch hier werden als Folge die
Transportpreise ansteigen.
Weiter verschärfen wird sich der Arbeitskräftemangel, egal ob es sich dabei um
Fahrer, Lager- oder Büropersonal handelt.
Der aktuelle Bedarf liegt bei ca. 25.000 neuen Kraftfahrern alleine im gewerblichen
Güterverkehr. Eine 3 jährige Berufsausbildung in diesem von den Arbeitsbedingungen her
wenig attraktiven Beruf treten jedes Jahr viel zu wenige junge Menschen an.
Die Ausbildungsdauer ist wegen der vielfältigen gesetzlichen Vorschriften, aber
auch wegen den immer komplizierteren technischen Ausrüstungen und Dokumentationspflichten
inzwischen zwingend erforderlich. Der Wegfall der Wehrpflicht ist eine Ursache des
Problems, da bei der Bundeswehr jährlich über 10.000 LKW-Fahrer ausgebildet wurden.
Profiteure dieser Entwicklung sind Transportunternehmen aus den osteuropäischen
Beitrittsländern, ohne die bereits heute bei uns keine Transporte mehr funktionieren
würden bzw. die Auftraggeber erheblich höhere Transportkosten bezahlen müssten.
So legten 2016 z.B. LKW aus Polen knapp 15% der mautpflichtigen Entfernungen
auf deutschen Autobahnen zurück. Der Gesamtanteil ausländischer LKW an der LKW-Maut
im Jahr 2016 betrug übrigens 40,8%.
Eine Folge ist jedoch, dass jetzt in Polen Kraftfahrer für Inlandstransporte
fehlen, die durch Arbeitskräfte (Flüchtlinge) aus der Ukraine ersetzt werden.
Gleiches ist wegen Mangel an Fahrernachwuchs auch in anderen westeuropäischen Ländern
zu beobachten. In Skandinavien arbeiten inzwischen überwiegend Fahrer aus den baltischen
Staaten und auf LKW in Großbritannien sitzen inzwischen überwiegend polnische Fahrer.
Auffällig ist, dass Transporte über weite Strecken fast nur noch über
Transportunternehmen aus Osteuropa abgewickelt werden, technisch oder organisatorisch
aufwendige Transporte dagegen von Unternehmen aus dem Inland durchgeführt werden.
Ob Ideen wie das autonome Fahren oder mehrere elektronisch gekoppelte LKW mit nur einem
Fahrer bei den komplexen Anforderungen im täglichen Straßenverkehr hier eine Entlastung
bringen könnten, wird die Zukunft zeigen. Die technischen Möglichkeiten ändern sich hier
schneller als zivil- und strafrechtliche Rahmenbedingungen durch die Politik geschaffen
werden können. Daneben werden auch ethische Bedenken eine große Rolle bei der Akzeptanz
derartiger neuer Technologien eine große Rolle spielen.
Die neuen Gigaliner sind ein Ansatz, um den Fahrerbedarf zu verringern. Allerdings
kommen diese überlangen LKW, deren Gesamtgewicht trotz zusätzlicher Achsen ebenfalls 40t
beträgt, nur für bestimmte Verkehre in einem festgelegten Streckennetz im Inland zum Einsatz.
Im alltäglichen Charterverkehr sind sie daher nicht nutzbar.
Vielleicht kommt aber auch irgendwann der Tag, an dem nicht der Transportunternehmer mit
dem günstigsten Preis den Auftrag erhält, sondern der, der einen freien Fahrer zur
Verfügung hat.